Dem neuen Zentrum ging das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Augsburg voraus, welches in den letzten fünf Jahren zum etablierten Ansprechpartner für die Digitalisierung im Mittelstand in Bayern geworden ist. Neben dem Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg gehören 27 weitere Zentren zum Förderschwerpunkt Mittelstand-Digital. Die in diesem Netzwerk vorhandenen Kompetenzen ergänzen sich und stellen ein flächendeckendes Unterstützungsangebot für KMU bereit. Durch die Vernetzung der Zentren bei Mittelstand-Digital bietet jedes Zentrum eine Anlaufstelle für Unternehmen, um sämtliche Fragestellungen der Digitalisierung im Mittelstand qualifiziert beantwortet zu bekommen.
Das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg besitzt insbesondere die Schwerpunkte „Nachhaltigkeit“, „Digitale Strategien“, „Künstliche Intelligenz“, „Arbeit 4.0“, „Finanzen 4.0“ und „Vernetzte Produktion & Logistik“. In zielgruppengerecht aufbereiteten Angeboten wird dieses Wissen gebündelt, aufbereitet und praxisnah vermittelt. Unterschiedliche Transferleistungen bieten Unternehmen bedarfsorientierte, kostenfreie Zugänge und Wege zum „Unternehmen der Zukunft“: Von einer Factory- oder Lab-Tour, bei der Digitalisierungslösungen live erlebt werden können, über eine vertiefende Schulung zur fachlichen Weiterbildung bis hin zur Umsetzung eines langfristigen Projektes gemeinsam mit dem Zentrum.
Die primäre Zielgruppe des Zentrums Augsburg umfasst das produzierende Gewerbe, das Handwerk sowie die produktionsnahe und konsumentenorientierte Dienstleistungswirtschaft. In erster Linie werden KMU angesprochen, die aufgrund einer geringeren Mitarbeiteranzahl stärker auf externe fachliche und personelle Unterstützung angewiesen sein könnten. Ein besonderes Anliegen ist es, auch in entlegenere Regionen in Bayern vorzudringen, um sämtlichen Unternehmen – egal ob in ländlicher Umgebung oder in der Nähe zu den Standorten des Zentrums – ein unterstützender Partner zu sein.
Zur bestmöglichen Unterstützung der KMU arbeitet im Rahmen des Mittelstand-Digital Zentrums Augsburg ein Konsortium unterschiedlicher Vertreter aus Forschung und Transfer zusammen. Als Forschungspartner mit umfassendem Know-how in Bezug auf digitale Strategien und Industrie 4.0 bringt sich die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. mit seinen beiden Instituten, dem Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV und dem Fraunhofer-Institut für integrierte Schaltungen IIS in das Projekt ein. Zudem agiert das Forschungs- und Transferinstitut des Freistaats Bayern für softwareintensive Systeme (fortiss) als Experte im Bereich von Softwarelösungen und KI, die ibi research an der Universität Regensburg GmbH für den Themenbereich Finanzen 4.0 sowie die Technische Universität München mit dem Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik (fml) und dem Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) für die Bereiche Logistik, Nachhaltigkeit und Arbeit 4.0 in der Produktion. Als Schnittstelle zu den Unternehmen ist der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. mit seiner Geschäftsstelle in München (VDMA Bayern) am Zentrum beteiligt, der zugleich die Leitung des Zentrums innehat.
Nachhaltige Veränderungen im Bezahlverhalten
Die Corona-Pandemie hat das Leben der Konsument:innen auf den Kopf gestellt. Gesundheitliche Sorgen oder finanzielle Ängste beschäftigen aktuell zahlreiche Menschen in Deutschland und weltweit. Gleichzeitig sind Lockerungen in Kraft getreten und ermöglichen Restaurantbesuche und Einkaufserlebnisse in Einzelhandelsgeschäften.
Im vergangenen Jahr mussten potenzielle Konsument:innen auf zahlreiche stationäre Angebote verzichten. An deren Stelle traten vermehrt digitale Services. Mehr als die Hälfte der Befragten hat vor der Corona-Pandemie am liebsten mit Bargeld bezahlt. Dieser Anteil ist in den vergangenen Monaten stark gesunken: Nur noch 34 Prozent haben ihre Einkäufe bar gezahlt, nach Ende der Pandemie planen lediglich 39 Prozent wieder hauptsächlich Bargeld zu verwenden (vgl. Abbildung 1). Besonders die jungen Kundinnen und Kunden haben sich umorientiert und nutzen jetzt andere Möglichkeiten.
Kontaktloses Bezahlen wird beliebter
Gesteigerte Hygienemaßnahmen während der Pandemie führten dazu, dass die Kundschaft verstärkt auf kontaktlose Bezahloptionen hingewiesen wurde. Dass dieses Angebot auch rege genutzt wurde, bestätigen die Umfrageergebnisse. Sowohl bei der girocard (+ 12 Prozent) als auch bei Kreditkarten (+ 4 Prozent) wurde häufiger kontaktlos durch Auflegen auf das Kassen-Terminal bezahlt. Der Großteil dieser Kundinnen und Kunden möchte das auch zukünftig beibehalten. Eine noch immer geringe Nutzerbasis haben Zahlungen per Smartphone und Smartwatch ausgelöst. Allerdings hat auch hier die Corona-Pandemie für leichten Aufschwung gesorgt: Vier Prozent der Befragten möchten nach Ende der Pandemie weiterhin mit dem Smartphone bezahlen, knapp ein Prozent mit einer Smartwatch (vgl. Abbildung 1).
Bezahlen im E-Commerce: Rechnung und PayPal liegen vorne
PayPal ist und bleibt bei den Befragten das beliebteste Zahlungsverfahren im Online-Handel. Nur bei höheren Beträgen ab 500 Euro gehen die Käuferinnen und Käufer auf Nummer sicher und wählen Zahlung auf Rechnung. Auf Platz 3 der beliebtesten Zahlverfahren ab 30 Euro steht die Kreditkarte (vgl. Abbildung 2).
Die teilweise resultierende Verschlechterung der Nutzerfreundlichkeit durch eine starke Kundenauthentifizierung (SKA) bei Zahlung mit Kreditkarte veranlasst rund ein Fünftel der Befragten dazu, ihre Kreditkarte seltener zu verwenden. Gleichzeitig schätzen aber 77 Prozent die gesteigerte Sicherheit durch die SKA und finden den Zusatzaufwand überschaubar (vgl. Abbildung 3).
Ein bedenklicher Anstieg zeigt sich bei der Nutzung von Teilzahlungsoptionen oder Ratenkrediten während der Corona-Pandemie (vgl. Abbildung 4): 40 Prozent der 18- bis 29-Jährigen nutzten diese häufiger als sonst oder zum ersten Mal – der Weg in die Schuldenfalle? Ein Blick auf die Zahlen des statistischen Bundesamtes unterstreicht diese Gefahr[1]. Im Vergleich zum Jahr 2015 sind die Bundesbürger unter 20 Jahre, die bei einer Schuldnerberatungstelle als überschuldet erfasst wurden, um über 41 Prozent gestiegen.
Online-Handel: einzige Chance für ländliche Regionen und Bedrohung für die
deutschen Innenstädte?
Ein Ergebnis der Studie ist, dass die Corona-Pandemie das Konsumverhalten in Deutschland verändert hat – jedoch in unterschiedlichen Ausmaßen. Aufgrund der Lockdowns wurde zunächst über alle Alters- und Käufergruppen mehr online eingekauft. Doch nicht bei jedem wird dies zu einer nachhaltigen Konsumveränderung führen. In ländlichen Regionen Deutschlands mangelt es unter Umständen an einer großen Auswahl von verschiedenen Produkten und Dienstleistungen. Knapp zwei Drittel sehen daher den Online Handel als einzige Möglichkeit, auf diese zuzugreifen. Allerdings wird das Einkaufen im Internet von vielen Bürgerinnen und Bürgern auch als Bedrohung wahrgenommen. Nur jeder Zehnte sieht im Online Handel keine Gefahr für die deutschen Innenstädte. Knapp die Hälfte erwartet in den nächsten drei Jahren das Verschwinden von zahlreichen stationären Geschäften (vgl. Abbildung 5).
Quelle: Die Ergebnisse stammen aus einer von ibi research an der Universität Regensburg research zusammen mit dem Digital Commerce Research Network (DCRN) durchgeführten Studie (Befragungszeitraum: Juli 2021, CAPI-Befragung, 1.014 Teilnehmer). Kostenlos verfügbar unter: https://ibi.de/veroeffentlichungen/dcrn-2021.
[1] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Vermoegen-Schulden/_inhalt.html#sprg233606
Die Firma Polymold GmbH & Co. KG wurde 1999 als Familienunternehmen gegründet und ist ein Spezialist in der Kunststofffertigung. Das Unternehmen entwickelt und produziert Präzisionsspritzgussteile (auch 2-Komponenten- und Mikroteile) sowie Bio-Thermoplaste und bietet zudem u. a. Veredelungstechnologien, wie Laserbeschriftungen, an. Mitte 2012 initiierte die Geschäftsleitung ein Azubi-Projekt: Die Produktion von individualisierbaren Kunststoffbechern. Die Konstruktion und Fertigung der Becher über eine eigene Fertigungssparte, die Qualitätskontrolle, der Versand, die Erstellung von geeigneten Werbematerialien und die Abwicklung von Buchungsvorgängen wurden in Eigenverantwortung durch die Auszubildenden der Firma organisiert und gesteuert. Der Vertrieb der Becher richtete sich in erster Linie an Kindergärten, Schulen und Vereine. Aus dem Azubi-Projekt entstand nun die Idee, die Fertigung weiter auszubauen und den Verkauf zu professionalisieren, um mit der neuen Marke „Polino“ in weitere Kundensegmente wachsen zu können. Dazu wurden zusammen mit dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Augsburg in einer Potenzialanalyse Möglichkeiten und Strategieoptionen für den Verkauf der Polino-Becher über einen B2C-Online-Shops oder andere Online-Verkaufsplattformen evaluiert.
In einem Workshop mit der Geschäftsführung und weiteren Mitarbeitern wurden zunächst die wichtigen Eigenschaften und Merkmale des Produktes, insbesondere die Alleinstellungsmerkmale (engl. Unique Selling Proposition – USP), der Fertigungsprozess, die adressierte Zielgruppe und die verschiedenen Möglichkeiten des Einstiegs in den Online-Verkauf inkl. der dafür benötigten Voraussetzungen besprochen. Vor allem die voraussichtlichen Investitionskosten, der Zeitaufwand und die Erreichbarkeit der Zielgruppe waren von hoher Relevanz für die Entscheidungsfindung. Auch die hierfür benötigten internen Personalressourcen und die notwendigen externen Dienstleistungen für den Shop-Betrieb spielten eine wichtige Rolle. Schlussendlich konnten zwei voneinander abhängige Handlungsstufen identifiziert, diskutiert und evaluiert werden: In erster Linie müssen die relevanten Produktions- und Logistikprozesse (weitestgehend) digitalisiert werden, bevor dann die Umsetzung eines eigenen Online-Shops oder der Verkauf über passende Online-Marktplätze angegangen werden kann.
Diskutiert wurden folgende Strategieoptionen für den Unternehmensbereich:
Vorab: allgemeine Analyse der strategischen Ausrichtung im B2C-Segment
Grundsätzlich wird das Vorhaben auf Relevanz für das Geschäftsmodell und Umsetzbarkeit hin geprüft. Dabei werden Fragen wie „Was sind die Alleinstellungsmerkmale des Produktes?“, „Wie erreiche ich die Zielgruppe über den Online-Verkauf?“ und „Existiert bereits ein Warenwirtschaftssystem, ein ERP-System oder eine entsprechende E-Commerce-Lösung?“ diskutiert. Im Workshop wurde u. a. erwähnt, dass „Polino“ eigene Server und eine eigene IT-Lösung über einen Dienstleister bekommen soll. Ein anderer Dienstleister hat bereits visuelle Templates für einen möglichen Online-Shop erstellt.
Mit dem Kernprodukt des Polino-Bechers, soll im Online-Verkauf gestartet werden. Später ist angedacht, das Sortiment noch um Tassen oder Dosen für potentielle Kundensegmente auszubauen.
Die Alleinstellungsmerkmale des Bechers sind:
Ziel ist die auftragsbezogene Fertigung der individualisierbaren Becher ab der ersten Stückzahl (Losgröße 1). Dabei soll die Zielgruppe von Kindergärten, Schulen und Vereinen auf (Kinder-)Krankenhäuser, Zahnärzte, Hotels und Privatpersonen ausgeweitet und die Vertriebskanäle entsprechend skalierbar ausgebaut werden. Aktuell wird noch auf Vorrat produziert, wobei auch nur über die eigene Website ab einem Auftragsvolumen von mindestens 10 Bechern bestellt werden kann.
Für eine schnelle und flexible Auftragsfertigung ist jedoch in erster Linie eine Analyse der Unternehmensprozesse insbesondere der Produktions- und Logistikprozesse notwendig. Hier sollte zunächst das Optimierungspotential u. a. durch die Einführung von digitalen Technologien evaluiert werden, um die Realisierbarkeit des Vorhabens sicherzustellen und auch eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit zu ermöglichen. Dies ist gleichzeitig auch die Basis für den Verkauf im Internet.
Handlungsstufe 1: Digitalisierung der relevanten Produktions- und Logistikprozesse
Aktuell werden die Bestellungen über die Website mit einem einfachen Online-Bestellformular als Kundenbestellung entgegengenommen, wobei eine Bestell-Email an die zuständige Abteilung gesendet wird. Laut eigenen Angaben ist jedoch bisher die Nutzung von Kommunikationsmitteln im Unternehmen fast ausschließlich analog ausgeprägt. Zudem laufen die Prozesse in der Produktion alle manuell ab. Auch die Abwicklung von Warenein- bis Warenausgang und der Transport sind ebenfalls noch manuell gesteuert. Eingangs- und Ausgangsrechnungen werden papierhaft archiviert. Grundsätzlich ist damit der Digitalisierungsstatus des Unternehmens nur in Anfängen vorhanden. Allerdings ist die Veränderungsbereitschaft im Unternehmen und die der Belegschaft hinsichtlich der Nutzung neuer und digitaler Technologien sehr hoch.
Um nun das Optimierungspotential analysieren und ableiten zu können sind unteranderem folgende Voraussetzungen zu schaffen:
Handlungsstufe 2: Vertrieb über das Internet
Für den Vertrieb über das Internet ist sowohl für die Umsetzung und Implementierung eines eigenen Online-Shops als auch für den Verkauf über Online-Marktplätze eine detaillierte Zielgruppenanalyse im B2C-Segment notwendig. Im ersten Schritt sollte in Erfahrung gebracht werden, ob die jeweilige Zielgruppe nachhaltiges Interesse und entsprechende Abnahmebereitschaft an bzw. bei den Polino-Produkten zeigt. Relevant sind hier auch die Anforderungen der Zielgruppe hinsichtlich Verwendung, Material und Optik, sowie die Preisvorstellungen. Im nächsten Schritt sollte auch eine tiefergehende Wettbewerbsanalyse hinsichtlich individualisierbarer Becher durchgeführt werden. Dabei sollten Fragen wie diese im Fokus stehen: „Welche Wettbewerber gibt es?“, „Welche Produkte bieten sie mit welchen Individualisierungsoptionen und zu welchen Preisen an?“ und „Über welche Vertriebskanäle verkaufen sie?“ Diese Marktrecherche bildet die Basis für eine strategische Ausrichtung des Verkaufs über das Internet.
Sollte der Verkauf über einen eigenen Online-Shop angestrebt werden, dann sind hierfür unteranderem folgende Voraussetzungen notwendig:
Die Einführung eines eigenen Online-Shops unterscheidet sich massiv vom Verkauf über Online-Marktplätze (z. B. eBay, Amazon). Die Implementierung eines Online-Shops ist umfangreicher, dauert in der Regel länger und ist in den meisten Fällen auch gesamt betrachtet teurer. Der Verkauf über einen Online-Marktplatz wiederum birgt gewisse Abhängigkeiten und zusätzliche, plattform-spezifische Kosten. Beide Optionen haben ihre Vor- und Nachteile, die es ebenfalls im Detail zu eruieren und evaluieren gilt.
Beim Verkauf über eine etablierte Online-Verkaufsplattform ist eine Analyse bzw. Recherche, welche B2C-Marktplätze in Frage kommen notwendig. Dabei werden Fragen beantwortet, wie „Auf welchen der vorhandenen Marktplätze findet man die gewünschte Zielgruppe?“, „Welche Voraussetzungen muss man als Verkäufer erfüllen um seine Produkte einstellen zu dürfen?“ und „Was fällt dort jeweils an Verkaufsgebühren an?“. Die Investitionskosten und Rüstaufwände, insbesondere im Personalaufbau und bei der IT, sind hier in der Regel deutlich geringer. Dafür bestehen aber Abhängigkeiten zum entsprechenden Online-Marktplatz hinsichtlich der Vorgaben zur Nutzung der Plattform und anfallende kontinuierliche (z. B. monatliche) Kosten.
Grundsätzlich steht bei dem Projekt und der Entscheidungsfindung der Blick auf die Zielgruppe im Fokus: Denn zum einen soll eine neue Zielgruppe im B2C-Segment (also einzelne Privatpersonen) adressiert werden, und zum anderen soll die Zielgruppe von Kindergärten, Schulen und Vereinen auf (Kinder-)Krankenhäuser, Zahnärzte und Hotels – welche ins B2B-Segment fallen – ausgeweitet und die Vertriebskanäle entsprechend skalierbar ausgebaut werden. In diesem Fall ist jedoch der Vertrieb über einen eigenen Online-Shop oder über entsprechende Online-Marktplätze für beide Zielgruppensegmente nutzbar. Unterscheidungen hinsichtlich strategischer Ausrichtung oder Kommunikationsstrategie müssten natürlich berücksichtigt werden, sind jedoch im ersten Schritt für die grundsätzliche Entscheidungsfindung für oder gegen den Verkauf übers Internet eher sekundär.
Weiteres Vorgehen in diesem Stadium des Projektes
Nach dem Workshop müssen die verschiedenen Handlungsstufen noch einmal intern diskutiert und evaluiert werden. Es muss analysiert werden, welche IT-Systeme notwendig sind und welche analogen und manuellen Prozesse digitalisiert werden müssen, um die technische Basis für die weitere Umsetzung des angestrebten Online-Verkaufs der Polio-Produkte zu schaffen. Zudem sind weitere Marktrecherchen und Kostenanalysen einzuholen, um die jeweiligen Optionen beim Vertrieb über das Internet voneinander abgrenzen und beurteilen zu können. Es sollten mehrere Business-Case-Szenarios erstellt werden, die eine detaillierte Kostenaufstellung und potenzielle Umsatzszenarien für die zwei genannten Strategieoptionen im Online-Vertrieb (eigener Online-Shop versus Online-Marktplätze) kalkulieren. Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Augsburg steht dabei gerne weiterhin unterstützend zur Seite.
Die vorherigen Beiträge erläuterten die Funktionsweise von KI und stellten Anwendungsmöglichkeiten in Unternehmen vor. Jetzt geht es um den zielgerichteten Einsatz: Zum einen gilt es, Potenziale zu identifizieren und zu bewerten, zum anderen wollen KI-Projekte genau geplant und umgesetzt werden.
Potenziale & Umsetzbarkeit identifizieren
Um geeignete KI-Anwendungsfälle im eigenen Unternehmen bei einem Workshop zu identifizieren, haben sich vier Phasen bewährt: In der 1) Vorbereitung wird geklärt, wer überhaupt dabei ist. Mitglieder der Geschäftsführung und Führungskräfte sind natürlich wichtig. Unverzichtbar sind jedoch auch Mitarbeitende, die spezifische Unternehmensprozesse durch ihre alltägliche Arbeit gut kennen und die späteren Nutzende der KI-Anwendungen – ob im Unternehmen selbst oder bei Lieferanten oder Kunden. In der Vorbereitung muss bei den Beteiligten für ein gemeinsames Grundverständnis von KI gesorgt werden, um Ansätze im eigenen Unternehmen selbst identifizieren zu können.
Für die 2) Ideenfindung und -priorisierung gibt es neben dem Brainstorming viele weitere Methoden, um in der Gruppe zu guten Vorschläge zu kommen und diese zu filtern. Offenheit und Respekt vor dem Wissen und der Erfahrung der anderen Teilnehmenden ist hier elementar.
In der darauffolgenden 3) Ausarbeitung der Use Cases spielen neben quantifizierbarem Nutzen wie reduziertem Maschinenausfall auch weiche Faktoren wie der interne Kompetenzaufbau eine Rolle. Ähnlich zu einem Business Model Canvas zur Bewertung von Geschäftsmodellen kann eine strukturierte Betrachtung einzelner Aspekte wie die Datenverfügbarkeit und möglicher KI-gestützter Aktionen dabei helfen, die Anwendungsfälle konkret auszuarbeiten und übersichtlich darzustellen.
Schließlich steht die 4) Bewertung & Entscheidung der Anwendungsfälle an. Dabei muss neben Know-How zum Einrichten auch die Kompetenz beachtet werden, mit der das KI-System kontinuierlich betrieben und an verändernde Prozesse angepasst werden kann (sogenannte Machine Learning Operations, MLOps). Nach diesen Faktoren kann entweder eine Make-, Buy- oder Wait-Entscheidung (bei Anwendungen mit einer hohen Forschungs- und Entwicklungsdynamik) getroffen werden.
Da alle KI-Systeme auf bestehenden Daten basieren, ist die Datenverfügbarkeit, Datenmenge und Datenqualität zentral für die Abschätzung der Machbarkeit und des Projekterfolgs. Die Repräsentativität der verfügbaren Daten können Domänen-Expert:innen aus dem jeweiligen Unternehmensbereich am besten beurteilen. Auch rechtliche und ethische Grenzen müssen eingehalten werden, etwa bei personenbezogenen Daten und KI-Entscheidungen, die Einfluss auf Mitarbeitende haben können. Dabei hilft die „Assessment List for Trustworthy AI“ der Europäischen Kommission.
KI-Projekte erfolgreich planen und umsetzen
Mit einem Anwendungsfall, Projektbudget, Projektteam und der Intrastruktur geht es dann an die Umsetzung. Acht Phasen werden teilweise iterativ durchlaufen:
Zusätzlich ist eine gute Dokumentation der erfolgreichen und nicht erfolgreichen Projekte wertvoll, um das Vorgehen auch noch nach einiger Zeit nachvollziehen zu können und so Erkenntnisse für zukünftige KI-Projekte zu nutzen.
Der Leitfaden „Künstliche Intelligenz – Potenziale und Umsetzungen im Mittelstand“ vom VDMA Bayern gibt ausführlichere Beispiele und Beschreibungen.
Einer der Autor*innen ist unser KI-Trainer Marcus Röhler vom Fraunhofer IGCV.
Quelle: Leitfaden Künstliche Intelligenz – Potenziale und Umsetzungen im Mittelstand der Projektpartner VDMA Bayern, Fraunhofer IGCV und Technische Universität München (2020)
Mittlere und große Unternehmen, Behörden und öffentliche Träger, Verbünde mehrerer Unternehmen in Gewerbeparks – die Kunden von two-ride sind sehr unterschiedlich, doch alle eint ein Problem: Für die Mitarbeitenden sind zu wenige Parkplätze vorhanden oder oft eine schlechte Anbindung an den ÖPNV. Das führt zu Stress und Ärger für das Personal oder Anwohner:innen in umliegenden Wohngebieten. Hinzu kommen die große Schadstoffbelastung und der erhöhte Treibstoffverbrauch, wenn Autos nur einzeln besetzt werden. Die Lösung: eine unternehmensinterne Plattform für Mitfahrgelegenheiten, auf der sich Mitarbeitende selbst organisieren können. Das spart Kosten für Parkraum sowie Fahrtkosten, steigert die Arbeitgeberattraktivität und reduziert Emissionen sowie Verkehr. Das Start-up two-ride begleitet die Unternehmen von der individuellen Konzeption bis über den Roll-out hinaus.
Hoher Abstimmungsaufwand in Kundenprojekten
Die kundenspezifischen Projekte sind komplex, erfordern zahlreiche Abstimmungen und die Erledigung von Aufgaben wie zum Beispiel das Sammeln von Daten für die Machbarkeitsanalyse. Dabei sind zahlreiche Köpfe involviert. Beispielsweise arbeiten Mobilitäts- und Umweltbeauftragte, die Personalabteilung, das Fuhrparkmanagement und die Standortleitung intern im Projekt zusammen. In der E-Mail-Kommunikation geht schnell mal eine Info unter oder eine Aufgabe gerät in Vergessenheit, was das gesamte Projekt ins Stocken bringt. Two-ride kontaktierte deshalb das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Augsburg, um in einer Potenzialanalyse die Prozesse in Kundenprojekten zu digitalisieren und effizienter zu gestalten.
In fünf Online-Workshops arbeiteten Barbara Koch (Mobilitätsmanagerin bei two-ride) und Dr. Bernhard Edmaier (Geschäftsführer bei two-ride) mit dem Mittelstand 4.0-Experten Simon Klose (Fraunhofer IIS) an dieser Fragestellung. Das Projektteam nutzte dazu Methoden wie das Anfertigen von Personas, Value Proposition Models und der MoSCoW-Priorisierung, um die Anforderungen der Kunden und des Start-ups an ein effizientes, digitales Projektmanagement-Tool zu definieren. Eine Marktanalyse schaffte einen Überblick über mögliche Tools und schließlich entschied sich two-ride für einen Anbieter, mit dem das Projekt aktuell durchgeführt wird. Nach der Übermittlung der Anforderungen wurde das Tool spezifiziert und bei two-ride getestet.
Digitale Aufrüstung der Kundenprojekte
In der neuen Software legt Frau Koch künftig die Kundenprojekte an, verteilt Rollen mit unterschiedlichen Bearbeitungsrechten an die Ansprechpartner:innen beim Kunden, stellt einen Projektplan ein und vergibt Aufgaben mit individuellen Deadlines. Auch die gesamte Kommunikation läuft über das Tool, damit Infos nicht untergehen und der gesamte Projektverlauf transparent und nachvollziehbar bleibt. Die Erinnerungsfunktion sendet kurz vor Ablauf einer Frist eine E-Mail an die entsprechende Person. Automatische Reports werden ausgegeben, der Status einzelner Arbeitspakete wird angezeigt und die Prozesse verschlankt.
Das Tool sei nicht nur eine Verbesserung für Frau Koch selbst: „Die Software erleichtert auch unseren Kunden die Arbeit, weil dort der interne Koordinationsaufwand sinkt und das gesamte Projekt effizienter und damit auch schneller abläuft. Das spricht natürlich auch für uns als professionellen Partner für Mobilitätslösungen und bringt uns einen Wettbewerbsvorteil.“ Ein angelegtes Projekt lässt sich für einen neuen Kunden auch duplizieren und einfach adaptieren. So sinkt der Initialaufwand in der Projektanbahnung enorm. Projekte werden dadurch skalierbarer, was das Wachstum des Start-ups vereinfacht.
Künstliche Intelligenz verbessert das Fahrten-Matching
Neben der Digitalisierung der Kundenprojekte arbeitet two-ride auch an einem Data-Analytics-Projekt, um die Vermittlungsrate bei der Suche nach einer Mitfahrgelegenheit zu verbessern. Hier spielen viele Parameter eine Rolle: Welches Zeitfenster haben die Personen? Wieviel Umweg wird in Kauf genommen und welche Wohngebiete liegen dann in der neuen Reichweite? Indem all diese Daten ausgewertet, potenzielle Fahrgemeinschaften ermittelt und auch Alternativen zu den eingegebenen Toleranzen angeboten werden, kann die Vermittlungsrate noch einmal deutlich erhöht werden. Das System vermittelt dann nicht nur effizienter, sondern auch bedarfsgerechter. Auch Dienstreisen lassen sich optimieren: Die Software legt Fahrten zusammen oder berechnet, wann sich ein Shuttle für die nächste Dienstreise zum anderen Standort lohnt. Two-ride steht hier noch am Anfang, fest steht aber schon jetzt, dass sich durch Künstliche Intelligenz künftig noch viele weitere Potenziale heben lassen.
Potenzialanalyse – auch was für Sie?
Bei einer Potenzialanalyse besuchen Fachleute aus dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Augsburg Ihr Unternehmen und entwickeln gemeinsam mit Ihnen individuelle Lösungsvorschläge für den ersten Schritt in die Digitalisierung. Inspirieren Sie mit Ihrer Geschichte andere Unternehmen, die ähnliche Herausforderungen meistern wollen.
Die kptec service GmbH fand mithilfe einer Potenzialanalyse der Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren Augsburg und Stuttgart heraus, mit welcher ihrer Digitalisierungsideen sich der Start lohnt. In einer Werksführung und Interviews mit Mitarbeitenden und der Geschäftsführung wurden zunächst mehrere Ansatzpunkte identifiziert. Neben einer Auftragsverfolgung zur Benachrichtigung der Kunden und einer Statusmeldung im Prüfbereich lohnen sich erste Schritte vor allem in der Demontage.
Herausforderungen in der Demontage und Angebotserstellung
Wird eine fehlerhafte Spindel an kptec service GmbH geliefert, muss diese erst einmal demontiert und der Ausfallgrund für den Fehler gefunden werden. Es wird ein Demontageprotokoll verfasst und auf Basis dessen ein detailliertes Angebot kalkuliert. Nach der Angebotserstellung und der Freigabe durch den Kunden wird die Spindel instandgesetzt, geprüft und dem Kunden wieder zurückgesendet.
In einem Workshop mit den Mitarbeitenden aus der Fertigung, Logistik und strategischem Einkauf identifizierten die Mittelstand 4.0-Expert:innen Jessica Mack (Fraunhofer IAO) und Klaus Fink (Fraunhofer IGCV) gleich mehrere Herausforderungen: Die Fehlerbilder werden bislang nicht vollständig digital dokumentiert. Gleichzeitig ist das benötigte Wissen ungleichmäßig auf die Mitarbeitenden verteilt. Je nachdem ob oder wie häufig ein:e Mitarbeiter:in in der Demontage mit einem bestimmten Fehlerbild zu tun hat, kann es eigenständig gelöst oder die Rücksprache mit Kolleg:innen benötigt werden. Spezialfälle brauchen daher oft aufwändigere Abstimmungen und führen so zu einem Zeitverlust.
Aufgrund der Varianz existiert bislang keine umfassende Datenbank, in der Fehlerbilder und Lösungsansätze einem Spindelhersteller und Produkttyp zugeordnet werden können. In einer Wissensdatenbank könnten künftig alle Fehlerbilder und deren Lösungsweg, Kundendaten oder Produktspezifika gezielt gesucht und so schneller und personenunabhängig eine passende Lösung gefunden werden.
Ein weiterer Ansatzpunkt ist das Demontageprotokoll. Dieses wird aktuell handschriftlich erstellt. Ein schlecht lesbares Protokoll birgt ein Fehlerpotenzial oder macht weitere Abstimmungen zwischen Montage und strategischem Einkauf nötig. Im Idealfall würde das Protokoll direkt digital erfasst, um hier Zeit zu sparen und Fehler zu vermeiden.
Ein Sprachassistent automatisiert die Dokumentation
In anschließenden Workshops mit der Geschäftsführung wurden die identifizierten Herausforderungen und passende Lösungen diskutiert und priorisiert. Eine Software soll künftig zum Wissensmanagement und für die Dokumentation eingesetzt werden sowie gleichzeitig als digitale Basis für die Angebotsabteilung dienen. Die Eingabe am Werkstatt-Arbeitsplatz erfolgt dann über eine intelligente Sprachsteuerung, die mithilfe Künstlicher Intelligenz die Spracheingaben der Mitarbeitenden automatisch in die richtigen Kategorien in der Datenbank einsortiert. Für die Entwicklung des Systems wird das aktuelle händische Formular des Demontageprotokolls als Basis verwendet, um die benötigten Eingabefelder der Software zu definieren.
Im nächsten Schritt muss der Sprachassistent dann auf wichtige Stichworte und die spezielle Fachsprache im Spindel-Reparaturservice trainiert werden. Das Ziel: Später sollen die Mitarbeitenden einfach während der Demontage die Fragen des Sprachassistenten mündlich beantworten, der wiederum die Infos direkt am richtigen Ort abspeichert.
Dazu soll an jedem Arbeitsplatz ein Tablet mit integriertem Mikrofon montiert werden. Die Steuerung mittels Sprache kommt dem Wunsch der Mitarbeitenden entgegen, sich nicht in aufwändige Software einarbeiten oder Eingaben über den zentralen PC in der Werkstatt tätigen zu müssen.
Ist die Datenbank später einmal gefüllt, können Mitarbeitende aus der Werkstatt und der Angebotserstellung Fehlerbilder, Produkte oder alte Kundendaten – ebenfalls über die Sprachfunktion – direkt abrufen. Abstimmungs- und Suchzeiten werden reduziert, das Reparieren wird deutlich vereinfacht.
Start in die Umsetzung
Nach der Konzeption geht es an die konkreten Vorbereitungen für die Software und die Anbietersuche für den KI-basierten Sprachassistenten. Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Stuttgart unterstützt die kptec service GmbH bei den nächsten Schritten der Umsetzung. Für das Einlernen der wichtigen Begriffe sind auch wieder die Mitarbeitenden gefragt. Nur wenn das System buchstäblich deren Sprache spricht, kann später nebenbei und reibungslos damit gearbeitet werden.
Potenzialanalyse – auch was für Sie?
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Die Oberflächenveredelung ist vor allem für die Widerstandsfähigkeit von Bauteilen und neue Materialeigenschaften relevant. Verchromte Oberflächen verhindern das Anhaften von bestimmten Materialien, was zum Beispiel beim Spritzguss in der Kunststofffertigung eine Rolle spielt. Die Aufträge sind also sehr unterschiedlich: kleine Bauteile in hoher Stückzahl für den Werkzeug- und Maschinenbau, große Schnecken für Spritzgussanlagen oder Teile für die Luftfahrt mit besonders strengen Dokumentationsvorgaben. Da es sich bei der Verchromung meist um den letzten Fertigungsschritt handelt, werden die Aufträge von den Kunden oft kurzfristig und mit zeitigem Fertigstellungswunsch an Betz-Chrom gegeben. Beides zusammen führt zu einer hohen Komplexität in der Auftragsabwicklung.
Auftragsdauer, Materialkosten und Fertigungsaufwand: schwer messbare Größen in der Produktion
Die große Varianz der Aufträge bedeutet für die Fertigung, dass die Produkte mit stark variierendem Energie- und Materialaufwand sowie Maschinen- bzw. Badbelegung bearbeitet werden. Bislang fehlen konkrete Daten zu den verschiedenen Auftragskategorien und für die Kalkulation. Herstellungskosten sowie Auftragsdauer werden auf Erfahrungsbasis geschätzt und in die Produktion eingelastet. Um Kosten und Dauer konkret und belastbar bestimmen zu können, wird mehr Transparenz über die realen Abläufe benötigt.
Mehr Transparenz durch BDE
Betz-Chrom plant daher die Einführung eines BDE-Systems, mit dem künftig alle Aufträge und ihre einzelnen Bearbeitungsschritte digital genau erfasst und ausgewertet werden. Später wird die Produktionsplanung so einfacher und die Preisgestaltung genauer. In Interviews mit Mitarbeitenden, einer Prozessanalyse auf dem Shopfloor und Workshops mit der Geschäftsführung identifizierten die Mittelstand 4.0-Experten Florian Rothmeyer (Technische Universität München) und Lukas Bank (Fraunhofer IGCV) die unternehmens- und branchenindividuellen Anforderungen an das System.
Besonderheiten bei Betz-Chrom: Energie, Dokumentation und Maschinenanbindung
Bei der Verchromung spielt der Energieverbrauch eine wichtige Rolle in der Fertigung. Im Chrombad können sich mehrere Bauteile unterschiedlicher Aufträge gleichzeitig befinden, was die Messung der Energiekosten pro Teil erschwert. Eine Lösung dafür sollte im BDE-System integriert werden, weil es sich hier um einen relevanten Kostenfaktor handelt und dieser damit für die Preisgestaltung relevant ist. Auch eine genaue Dokumentation der Aufträge soll über das BDE-System erfolgen und auftragsspezifisch abgespeichert werden. Insbesondere für Kunden aus der Luftfahrt ist das ein Muss. Für solche Produkte könnte ein BDE-System auch weitere Funktionen übernehmen, wie automatisierte Hinweise und Arbeitsanweisungen oder die Anzeige zeitkritischer Fristen.
Ein weiterer Punkt ist die Anbindung des Systems an den Maschinenpark – sowohl an modernere Maschinen mit entsprechenden Schnittstellen, als auch an ältere Bestandsmaschinen durch Nachrüsten oder über manuelle Eingaben. Für die direkte Anbindung wurden alle Schnittstellentypen aufgenommen. Außerdem wurden alle Maschinen und Fertigungsschritte erfasst, die manuelle Eingaben erforderlich machen. Sobald Werte manuell eingegeben werden müssen, spielt auch die passende Hardware eine wichtige Rolle. Mitarbeitende in der Verchromung tragen zum Beispiel Handschuhe, weshalb Touchbildschirme eher ungeeignet wären.
Ein individuelles Lastenheft für die Anbieterauswahl
Mit dem gemeinsam erstellten Lastenheft, das neben den herkömmlichen Anforderungen an BDE-Systeme auch alle besonderen Bedarfe des Unternehmens adressiert, kann sich das Team um Innovationsmanagerin Hannah Betz und Fertigungsleiter Mohammad Farahani nun auf die Anbietersuche begeben. „Nachdem wir zuerst nur eine vage Vorstellung von einem passenden BDE-System hatten, sind wir jetzt einen großen Schritt weitergekommen“, so Hannah Betz. Im aktuellen Projekt unterstützt das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Augsburg bei der Vorauswahl passender Anbieter. Auch die Frage, wie die Aufträge an jeder Station vom System identifiziert werden, ist noch offen. Ob hier Barcode, RFID oder eine andere Auto-ID-Technologie zum Einsatz kommen soll, wird Teil der Auswahlgespräche sein.
Potenzialanalyse – auch was für Sie?
Bei einer Potenzialanalyse besuchen Fachleute aus dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Augsburg Ihr Unternehmen und entwickeln gemeinsam mit Ihnen individuelle Lösungsvorschläge für den ersten Schritt in die Digitalisierung. Inspirieren Sie mit Ihrer Geschichte andere Unternehmen, die ähnliche Herausforderungen meistern wollen.
Wie können Kisten gezählt und nachverfolgt werden?
Vor Ort und in Gesprächen mit den Mitarbeitenden machten sich die Mittelstand 4.0-Experten von der Technischen Universität München, Johannes Zeiler und Christian Looschen, ein erstes Bild von den internen Abläufen der Lebensmittelverteilung an Bedürftige. Um den Verlust der Transportkisten zu minimieren, müssen diese gezählt und nachverfolgt bzw. einer Verteilstelle oder einer Fahrerin oder einem Fahrer zugeordnet werden. Hier gibt es unterschiedliche digitale Lösungsansätze – eine besonders Vielversprechende: Die Identifizierung mittels RFID. Über elektromagnetische Wellen werden hier an den Kisten angebrachte Transponder bzw. Tags über eine Antenne automatisch ausgelesen und identifiziert. Beim Rücktransport fehlende Kisten werden automatisch vom System erkannt.
Doch funktioniert die Technologie überhaupt in der Logistik der Tafel?
Das Team der Münchner Tafel rund um Frau Schuster-Fuchs hatte RFID zwar als technische Lösung bereits vorab recherchiert, wusste jedoch nicht, ob der Einsatz auch technisch möglich und rentabel ist. Um das fehlerfreie Funktionieren der RFID-Technologie sicherzustellen, müssen einige Einflussfaktoren beachtet werden: “Entscheidend für die Auswahl ist zum Beispiel, wie oft der Tag gelesen wird, wie weit man maximal an der Antenne vorbeilaufen kann und welche Materialien sich in der näheren Umgebung befinden” erklärt Christian Looschen. Letztlich spielen auch die Kosten im Verhältnis zu den erwarteten Einsparungen eine Rolle bei der Entscheidung.
Um die technische Machbarkeit in Experimenten zu überprüfen, nahmen die beiden Experten ein paar Kisten mit in die Versuchshalle der Universität. Dort wurde mit fünf Tag-Fabrikaten getestet, wo die Tags platziert werden müssen – in diesem Fall außen an den Kisten –, um von der Antenne möglichst gut erkannt zu werden und gleichzeitig einer regelmäßigen Reinigung durch die Mitarbeitenden und häufigem Anstoßen standzuhalten. Auch die maximale Transportgeschwindigkeit an der Antenne vorbei, die richtige Höhe der Antenne und wie sich das Stapeln und Befüllen der Kisten auf die Lesewahrscheinlichkeit auswirkt, wurden getestet.
Im Laufe der Messreihen fiel auf, dass die Konsistenz der verschiedenen Lebensmittel die RFID-Strahlung unterschiedlich stark beeinflusst. So funktionierten die Tags beispielsweise bei Wasser besser als bei Joghurt, da letzterer die Strahlung stärker absorbiert. Um diese Effekte auszugleichen, wäre eine größere Anzahl an Antennen nötig. Nach Abwägung der Messergebnisse stand fest, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis für die gemeinnützige Institution nicht ausgewogen ist: “RFID hätte zwar funktioniert, allerdings nur mit einem hohen Aufwand und hohen Investmentkosten. Daraufhin haben wir der Tafel davon abgeraten”, berichtet Johannes Zeiler vom Kompetenzzentrum Augsburg. Dank der ehrenamtlichen Mitarbeitenden verfügt die Tafel zwar über Manpower, jedoch nur über wenige finanzielle Mittel für eine solche Anschaffung.
Ein alternativer Lösungsansatz: eine Logistik-App für die Mitarbeitenden
Als Alternativlösung schlugen die Experten die Entwicklung einer individuellen Logistik-App vor. Über die App tragen die Fahrer*innen ein, wie viele Kisten sie zu welchem Zeitpunkt verluden und wo diese hingebracht wurden. Mitarbeitende im Lager tragen später die zurückgebrachten Kisten ein. Fehlende Kisten fallen so direkt auf und können gesucht und nachgeliefert werden. Durch eine solche App können Verluste künftig stärker vermieden werden – zwar ohne automatisches Einlesen, dafür ohne große und teure Hardware-Anschaffungen. Die App soll von ehrenamtlichen Studierenden entwickelt werden, um auch hier Kosten einzusparen. Die Experten vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Augsburg unterstützen bei den nächsten Schritten zur erfolgreichen App-Einführung, wie den Testläufen und Schulungen der Mitarbeitenden.
Potenzialanalyse – auch was für Sie?
Bei einer Potenzialanalyse besuchen Fachleute aus dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Ihr Unternehmen und entwickeln gemeinsam mit Ihnen individuelle Lösungsvorschläge für den ersten Schritt in die Digitalisierung. Inspirieren Sie mit Ihrer Geschichte andere Unternehmen, die ähnliche Herausforderungen meistern wollen.
Führende Akteure der norwegischen Wirtschaft und Politik sind sich einig, dass die norwegische Festlandindustrie in einer Zeit, in der die Einnahmen aus der Öl- und Gasindustrie sinken, gestärkt und modernisiert werden muss. Um die Produktivität in den traditionellen Industrieunternehmen zu steigern, wurden in den vergangenen Jahren bereits in hohem Umfang Prozesse digitalisiert. Der nächste Schritt in der Transformation zur Industrie 4.0 ist die umfassende Automatisierung. Ziel dieser Strategie ist, dass die zahlreichen traditionell verankerten norwegischen Industrieunternehmen, welche in der Vergangenheit Produktionsstandorte global ausgelagert haben, wieder „zu Hause“ rentabel und unter modernsten und sicheren Bedingungen produzieren. Der aktuelle Ausbau des landesweiten 5G-Netzes, welcher 2023/2024 abgeschlossen sein soll, begünstigt diese Entwicklung. Hierdurch wird eine weitere zentrale Voraussetzung für die Nutzung von Automatisierungs-, KI- und Digitalisierungstechnologien erfüllt.
Insbesondere die Prozessindustrie, welche in den vergangenen Jahren bereits von einem umfassenden Umstellungswillen und technologischen Innovationen geprägt war, sowie die Lebensmittelindustrie werden häufig als Positivbeispiele für die digitale Transformation der Festlandwirtschaft hervorgehoben. Diese und weitere Sektoren sind zentrale Zielgruppen auf dem norwegischen Markt mit wachsendem Potenzial unter anderem für Anbieter von Robotik, Sensorik und KI-Technologien wie Big Data-Analysen, Machine-Learning und IoT-Lösungen für die Vernetzung von Prozessen und Maschinen.
Die dreitägige Geschäftsanbahnungsreise besteht aus einer digitalen Fachveranstaltung mit der Möglichkeit zum Austausch mit norwegischen Branchenvertreterinnen und -vertretern. An den beiden nachfolgenden Tagen werden von der AHK Norwegen digitale, individuelle Gesprächstermine mit potenziellen norwegischen Kunden und Partnern organisiert. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wird auch eine Zielmarktanalyse über bestehende Marktpotenziale und die damit verbundenen Geschäftschancen zur Verfügung gestellt.
Das Projekt ist Bestandteil des BMWi-Markterschließungsprogramms für KMU und unterliegt den De-Minimis-Regelungen. Der Eigenanteil der Unternehmen für die Teilnahme am Projekt beträgt in Abhängigkeit der Größe des Unternehmens zwischen 250 und 500 EUR (netto). Weitere Informationen zur Reise finden Sie hier.
Anmeldung: Interessierte Unternehmen kontaktieren bitte Sybille Köhler, Deutsch-Norwegische Handelskammer: Tel. +47 22128224, E-Mail: sk@handelskammer.no. Anmeldeschluss ist der 10.02.2021.